24.10.2020

Verbunden im Getrenntsein

Das Gefühl vom Getrenntsein hat wenig mit physischer Trennung und Abstand zu tun; genau sowenig wie das Verbundensein mit Nähe.

Die vergangenen Monate haben mich die Gefühle von Trennung und Verbindung besonders hellhörig gemacht. Ich habe mich mit Menschen, die hunderte von Kilometern entfernt sind sehr nahe gefühlt, auch dann, wenn ich auch nicht mit Telefon oder über Internet Kontakt hatte.

Auf meinen langen Spaziergängen haben mich Bäume und Pflanzen zu ihnen geführt. Das mag nun abstrakt klingen, aber es gab Bäume, die mich spontan zu bestimmten Menschen geführt haben, so als ob ich durch sie mit ihnen telefonieren könnte oder direkt mit ihnen sprechen würde. Das Geplapper der Pappelplätter, das Flüstern der Birke, das Rauschen der Tanne, das Strahlen der Buche oder die Bedächtigkeit des Ahorns, auch die Verletzungen der Esche, führten mich zu den unterschiedlichsten Menschen. Ich konnte ihnen meine Empfindungen erzählen und sie hatten mich vorurteilslos verstanden. Ja, ich bekam sogar Antworten, wenn ich Fragen stellte. Von ihnen erhielt ich Erklärungen und Informationen die mich tief bewegt hatten. Ich fühlte, dass ich mitten drinn und verbunden binIch durfte in den verschiedenen Baumwesen buchstäblich die menschlichen Muster erkennen. Die Einen waren voller Unruhe, andere voller Stolz und Überheblichkeit und andere voller Gelassenheit, und wieder andere voller Traurigkeit und Kummer.

Ich habe das Gefühl, dass sich jeder einzelne Baum freute, wenn ich ihn kontaktierte und mich auf seine Botschaften einstellte und ihm auch meine Sorgen anvertraute. Sie nahmen es mir aber auch nicht übel, wenn ich mich länger nicht meldete oder gedankenversunken dastand.

Ich bin sicher, dass sie unsere Lehrer sind, wenn wir uns auf sie einlassen. Dabei meine ich nicht, durch den Wald zu joggen oder Schritte, die mir der Schrittzähler anzeigt zu zählen, noch mit dem Bike ein möglichst schnelles Tempo und viele Kilometer zu absolvieren. So können wir weder die weltumspannende Verbundenheit durch die Wurzelgeflechte noch die telepathischen Signale der Baumantennen wahrnehmen.

Sich auf diese subtilen Informationen einzulassen braucht Stille, Achtsamkeit und Offenheit.

Ich glaube, dass unsere Urahnen die Sprachen der Bäume sehr wohl verstanden haben. In unserer hektischen, stressigen und oft angstbeladenen Zeit tun wir gut daran, diese Sprache zu lernen und Bäume als Ratgeber, zu unseren Lebensbegleitern zu machen.

Mir tut die Kommunikation mit Bäumen auf jeden Fall gut. Mit viel Zuversicht glaube ich, dass trotz Abstandregeln, Kontakteinschränkungen und weiteren Massnahmen alles mit allem verbunden ist. Trennung findet in den Köpfen der Menschen statt.

 

»Wir sind so gern in der Natur, weil diese keine Meinung über uns hat.«   Nietzsche

In bäumiger Verbundenheit und Umarmung

Katharina